Die Geschichte hinter der Geschichte, oder: Was ist aus der Version „A“ geworden?

Ihr habt ja mitbekommen, dass wir unsere Halloween-Show im Planetarium auf unbestimmt verschieben mussten, aber bevor ich jetzt wieder anfange, über die Ungerechtigkeit der Welt zu jammern, lieber ein bisschen Trivia zur Entstehungsgeschichte unserer Geschichten.

Im November 2019, noch geflasht von unserer Show in der Kofferfabrik, sprachen wir mit Herrn Herzig, dem damaligen Leiter des Nicolaus-Copernicus-Planetariums über die Möglichkeit, mit unseren Geschichten im Planetarium aufzutreten. Wir waren uns dann recht schnell einig, dass wir eine Halloween-Show veranstalten würden, und wir beschlossen, dass das Programm aus zwei bereits aufgenommenen Episoden — „Ausschlag gebend“ und „Der Weiher“ — sowie einem komplett neuen Stück bestehen sollte.

Im Frühjahr 2020 begann ich dann ernsthaft damit, nach einer Story für die neue Produktion zu suchen. Corona war zu diesem Zeitpunkt bereits ein Thema, und der von mir sehr verehrte Edgar Allan Poe hatte ja mit „Die Maske des Roten Todes“ bereits sehr schön mit einer Geschichte zum Wüten der Pest vorgelegt. Die wollten wir jetzt ins 21. Jahrhundert transponieren.

Eine Inspiration war die Geschichte von Nakam — einer jüdischen Geheimorganisation, die nach dem 2. Weltkrieg mit einer großangelegeten Massenvergiftung Rache an der deutschen Bevölkerung nehmen wollte. Umgesetzt für die „Maske“ wäre das Setting eine Gruppe von Nazis gewesen, die sich am Ende des Krieges oder kurz danach vor den Alliierten verschanzen, und dann von geflohenen KZ-Häftlingen, die die Nazis infiltrieren, vergiftet oder mit tödlichen Erregern infiziert würden. Das war ziemlich starker Tobak, und nicht wirklich schlecht, aber dann vielleicht doch ein wenig heftig für ein Publikum, das sich auf entspannten Grusel gefreut hatte, und so wanderte die Idee vorläufig unausgearbeitet in der Tonne.

In der Zwischenzeit hatten Sina und ich überlegt, die guten alten Hammer-Horrorfilme aufleben zu lassen und dem Hörspiel einen Vincent-Price-Boris-Karloff-Spin zu geben. Der Vorteil dabei war, dass wir eine gute Ausrede hatten, die guten alten Streifen nochmal anzusehen, obwohl nicht wirklich eine herausragende Idee dabei entstand. Nach einigem Überlegen kam dann die „A“-Version der „Maske“ heraus — eine Story inspiriert von der Twilight Zone-Episode „Passage on the Lady Anne„. Dort ist die Storyline, dass ein junges Pärchen mehr oder minder versehentlich auf einen altersschwachen Passagierliner gerät, der nur von alten und mehr oder minder des Lebens müden Menschen besetzt ist. Es stellt sich heraus, dass die Menschen mit der Lady Anne noch einmal eine letzte Kreuzfahrt genießen wollen, ehe sie ihr Leben beenden, und es gelingt ihnen nur unter Mühen, das Pärchen abzusetzen, so dass es von dem Plan nicht erfährt.*) Bei uns trat an die Stelle des Passagierschiffes ein Theater, das von den Theaterschaffenden, die angesichts eines unabsehbar langen Lockdowns ihre Lebenträume zerrinnen sehen, in die Luft gesprengt werden sollte.

Ich fand, die Idee war nicht schlecht, aber sie hat auch nicht so recht gezündet, als das Skript Ende August — eine Woche vor dem angesetzten Castingtermin! — fertig war. Ich hatte große Zweifel. Folglich gab es ein Treffen mit Verena, dem guten Geist meiner Skripte, die mit der Story ebenfalls nicht hundertprozentig zufrieden war. Schließlich erkannten wir, dass es einfach die falsche Art Geschichte war: Die „Maske“ war zu diesem Zeitpunkt ein Mystery, bei dem es darum ging, zu enträtseln, was in dem seltsamen Theater vor sich ging. Das war prinzipiell okay, aber es war eben keine Horror-Geschichte.

Ich bin überzeugt, dass es zu den Fertigkeiten eines brauchbaren Autors gehört, dass er seine Ideen auch mal kickt, und das tat ich dann auch. Nur, was sollte an die Stelle der bisherigen Geschichte treten?

Noch in der gleichen Session wandten sich Verena und ich wieder der originalen Idee zu, ein Renaissance-Setting mit Blut und Grusel zu verwenden: Es musste einen Prinzen geben wie in Poe’s Vorlage, und, damit platzte der Knoten, Verena bestand darauf, „Wir müssen eine Amme haben!“ Am selben Abend stand dann die Story von A bis Z.

Da das vereinbarte Casting vor der Tür stand und wir bis dahin natürlich ein Skript haben wollten, habe ich mich dann sofort auf dem „kleinen Dienstweg“ an die Arbeit gemacht. Üblicherweise gibt es nämlich erst ein Exposé, in dem ich Sina und Stefanie die Story vorstelle, und erst wenn die abgesegnet ist, fange ich mit dem Schreiben der eigentlichen Dialoge an, aber dafür war natürlich in diesem Fall keine Zeit. So entstand die „B“-Version der Maske innerhalb eines Abends, bei dem ich mit Verena die Story entwickelte, und drei längeren Sitzungen vor dem Rechner, an dem das eigentliche Skript fertigwurde. Und das Ergebnis gefällt mir wirklich um Klassen besser als die „A“-Story…

Zu gegebener Zeit — wenn die Story im Kasten ist — werden wir natürlich auch wieder das Skript der „B“-Version hochladen. Bis dahin könnt ihr hier schon einmal lesen, was euch mit der „A“-Version entgangen ist, die vorläufig auf Halde liegt… Viel Spaß bei der Lektüre!


*) Im Fernsehen endet die Story damit, dass die Lady Anne in eine Nebelbank fährt und mysteriös verschwindet. Ich habe den starken Verdacht, dass das Schiff bewusst in ein Minenfeld gelenkt werden sollte, das früher in der Geschichte erwähnt wurde. Aber vermutlich war die Idee des Massenselbstmords einer Gruppe geistig reger Erwachsener doch zuviel für das Publikum der Sechziger.

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